Vorträge bei der 2. IARA Jahrestagung "Konstruktionen und Gestaltungen des Alterns in ruralen Lebenswelten"

Hier finden Sie die Abstracts von PartnerInnen des Netzwerk Altern, die auf der 2. IARA Jahrestagung zum Thema „Konstruktionen und Gestaltungen des Alterns in ruralen Lebenswelten" vorgetragen haben. Hierbei hat es sich um eine trinationale Fachtagung mit dem Schwerpunkt Altern in ruralen Lebenswelten gehandelt. Sie wurde unter Beteiligung von 5 Fachgesellschaften im Themenfeld Gerontologie, Alterssoziologie, Sozialer Arbeit und Landsoziologie in Österreich, Deutschland und der Schweiz organsiert. Die Reihung erfolgt entlang des Programms der Jahrestagung:

  • „Elder Mediation als Unterstützung für Konflikte im Bereich der mobilen Pflege“
  • „Mobilitäts-Scouts – Ältere Frauen und Männer gestalten alternsgerechte Lebenswelten“
  • „Sicherheitsempfinden älterer Menschen in urbanen und ruralen Gemeinden“
  • „Weise alte Großmütter? Leute, die Bingo spielen? Altersbilder junger Erwachsener im Psychologiestudium“

„Elder Mediation als Unterstützung für Konflikte im Bereich der mobilen Pflege“
Schretter, Nina / Strasser, Irene (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Institut für Psychologie)

Mediation ist ein Konfliktlösungsverfahren, bei dem mittels einer neutralen dritten Person versucht wird, eigenständig eine Einigung zu erzielen. Die Konfliktparteien durchlaufen im Rahmen der  Mediation mehrere Phasen und werden während des Prozesses vom/von der MediatorIn geleitet. Elder Mediation ist ein Spezialgebiet des klassischen Mediationsverfahrens, welches sich auf Konflikte im Zusammenhang mit Themen des höheren Lebensalters bezieht. Der Anwendungsbereich dieses noch recht jungen Feldes ist umfangreich, in der im Vortrag berichteten empirischen Studie lag der Fokus auf der professionellen ambulanten Pflege (Hauskrankenpflege). Innerhalb der Triade PflegerInnen, Angehörige und Pflegebedürftige treffen hier unterschiedliche Lebenswelten und Sichtweisen in sehr engem Kontakt aufeinander, die häufig zu Konflikten führen können. Auftretende Probleme und Schwierigkeiten innerhalb dieses Arbeitsfeldes stellen mögliche Handlungsfelder für Elder Mediation dar. Es stellt sich dabei aber die Frage, welche Problembereiche überhaupt als besonders praxisrelevant geschildert werden, was Elder Mediation dabei anbieten könnte, und wo die Grenzen dieser Herangehensweise gesehen werden.

Im Rahmen einer empirischen Studie wurden 17 Leitfadeninterviews durchgeführt. Die InterviewpartnerInnen sind alle im Bereich der ambulanten Pflege tätig und ausgebildete diplomierte KrankenpflegerInnen, PflegehelferInnen oder AltenpflegerInnen. Folgende Forschungsfragen standen im Vordergrund und sollen im Vortrag näher beleuchtet werden: 1) Was sind mögliche Problem- bzw. Konfliktbereiche in der mobilen Pflege? 2) Was könnte Mediation hinsichtlich der Probleme und Konflikte in der mobilen Pflege leisten? Die Daten wurden nach der Erhebung inhaltsanalytisch ausgewertet.

Die Ergebnisse erlauben wichtige Einblicke in das Praxisfeld der mobilen Pflege, die Herausforderung des Alltages von PflegerInnen, die teilweise auch durch organisatorische und systemische Zwänge und Regelungen begründet werden. Hier zeigte sich insbesondere die Schwierigkeit der Balance zwischen Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen und dem Miteinbezug der PflegerInnen in Entscheidungsprozesse, die im Alltag vielfach von den Angehörigen getroffen werden. Aber auch die organisationalen/rechtlichen Rahmenbedingungen wurden von den Interviewten als wichtige Einflussfaktoren hervorgehoben.


„Mobilitäts-Scouts – Ältere Frauen und Männer gestalten alternsgerechte Lebenswelten“
Rappauer, Anita / Stadler-Vida, Michael / Giedenbacher, Yvonne (queraum. kultur- und sozialforschung)

Ausgangslage. Heute sind etwa ein Fünftel der Menschen in der Europäischen Union 65 Jahre und älter. Ein Blick auf die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung zeigt, dass ältere Menschen in Zukunft einen noch größeren Teil der Bevölkerung ausmachen werden: Waren im Jahr 2014 noch 18,5% der europäischen Bevölkerung 65 Jahre und älter, werden es 2018 28,7 Prozent sein. Altern ist damit nicht ausschließlich eine individuelle, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, auf die wir uns rechtzeitig und auf verschiedenen Ebenen vorbereiten sollten.

Eine wichtige Voraussetzung für ein aktives und selbstbestimmtes Leben im Alter ist Mobilität. Für ältere Frauen und Männer bedeutet Mobilität vor allem, sich möglichst selbstständig im öffentlichen Raum bewegen, Angebote und Dienstleistungen nutzen zu können und sich dabei sicher und wohl zu fühlen. Gemeinde- und Stadtverwaltungen sowie Unternehmen und Dienstleistungsanbieter sind gefordert, ihre Angebote und den öffentlichen Raum nutzungsfreundlich und zugänglich zu gestalten. Ältere Frauen und Männer wiederum wissen als ExpertInnen ihrer Lebenswelt am besten, wo es Hürden und Hindernisse, wo es Potenziale gibt. Sie sind daher eine wichtige Ressource, wenn es darum geht, den öffentlichen Raum alternsgerecht zu gestalten bzw. zu erhalten.

Mobilitäts-Scouts: Das Projekt. queraum. kultur- und sozialforschung führt derzeit das Projekt Mobilitäts-Scouts durch. Mobilitäts-Scouts hat sich zum Ziel gesetzt, die Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten von älteren Frauen und Männern bei der alternsgerechten Gestaltung des öffentlichen Raums zu verbessern. Die Erfahrungen des Projektes werden in einem Sensibilisierungs-Handbuch für EntscheidungsträgerInnen und einem Handbuch für PraktikerInnen zusammengefasst. Zudem wird ein Online-Trainingskurs entwickelt.


„Sicherheitsempfinden älterer Menschen in urbanen und ruralen Gemeinden“
Rohner, Rebekka (Universität Wien, Institut für Soziologie)

Hintergrund. Obwohl die objektive Sicherheit im Sinne des Rückgangs von Straftaten steigt, spiegeln sich diese Entwicklungen nicht immer in der subjektiven Einschätzung der Bevölkerung wider. Insbesondere bei älteren Menschen besteht diesbezüglich ein vom „Kriminalitätsfurcht-Paradoxon“: Nach diesem weisen häufig Gruppen für die objektiv das geringste Risiko besteht, die höchsten Unsicherheitsraten auf (vgl. Albrecht, 2011). Haben ältere und hochaltrige Menschen negative oder unangenehme Erfahrungen im öffentlichen Raum gemacht, kann dies dazu führen, dass dieser nicht zur sozialen Inklusion in die Nachbarschaft beiträgt, sondern im Gegenteil als Barriere wirkt und sich ältere Menschen aus dem öffentlichen Raum zurückziehen. Auch, wenn die Kriminalitätszahlen nicht notwendigerweise höher sind, wird die Sicherheit in sozial benachteiligten Gebieten subjektiv als geringer wahrgenommen. Nach der „Broken-Windows-Hypothese“ (Wilson & Kelling, 1982) sind dafür öffentliche Zeichen der Unordnung (Disorder), wie z.B. überfüllte Mistkübel, Graffitis, leerstehende Lokale oder eben eingeschlagene Fensterscheiben verantwortlich. Das Tolerieren dieser Unordnung wird mit Verwahrlosung, sozialer Desintegration und mangelndem Interesse der staatlichen Verantwortungsträger gleichgesetzt (Sampson, 2009). Ältere Menschen fühlen sich dabei häufiger durch solche Disorder-Phänomene gestört als Jüngere. Rosie Day identifizierte in ihren Studien (2010, 2008) fünf sozial-räumliche Dimensionen, die sich zentral auf das Wohlbefinden oder Unwohlsein älterer Menschen auswirken: Sauberkeit und Ordnung, Ruhe, Barrierefreiheit, Interaktionsmöglichkeiten und Ästhetik. Es fällt auf, dass sich drei der fünf Dimensionen (Ordnung, Ruhe, Ästhetik) dezidiert auf klassische Disorder-Kategorien beziehen.

Fragestellung. Der vorliegende Beitrag untersucht dieses „Kriminalitätsfurcht-Paradoxon“ aus einer umweltgerontologischen Perspektive (vgl. Wahl & Oswald, 2010). Obwohl sich in Österreich mehrere (nationale und internationale) Befragungen mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beschäftigen, ist wenig darüber bekannt, wie sich die subjektive Sicherheitswahrnehmung älterer und hochaltriger Frauen und Männer in urbanen und ländlichen Regionen im Detail darstellt und welche Rolle das Wohnumfeld für das subjektive Sicherheitsgefühl, die damit verbundene Raumaneignung und die soziale Inklusion im Wohnumfeld spielt. Der vorliegende Beitrag möchte diese Lücke schließen: Wie unterscheidet sich das subjektive Sicherheitsempfinden zwischen Menschen im dritten (50 – 74 Jahre) und vierten (75+ Jahre) Lebensalter sowie Männern und Frauen im urbanen, semi-urbanen und ruralen Gemeinden? Wie unterscheidet sich die Wahrnehmung von Disorder-Phänomenen zwischen Menschen im dritten (50 – 74 Jahre) und vierten (75+ Jahre) Lebensalter sowie Männern und Frauen im urbanen, semi-urbanen und ruralen Gemeinden? Und wie wirkt sich diese Wahrnehmung auf das subjektive Sicherheitsempfinden aus?

Methoden. Präsentiert werden Daten einer quantitativen, repräsentativen Erhebung (n=800), die im Rahmen des Projekts Projekt SI-ALT zwischen April und Juni 2017 in drei österreichischen Pilotgemeinden durchgeführt wird. Themen der Befragung umfassen subjektives Sicherheitsempfinden und Kriminalitätsfurcht, nachbarschaftliches Sozialkapital und Community Disorder Phänomene, sowie physische Vulnerabilität und Mobilität. Teil der quantitativen Fragebogenerhebung ist eine Vignettenstudie zu potentiell gefährlichen Situationen im öffentlichen Raum.


„Weise alte Großmütter? Leute, die Bingo spielen? Altersbilder junger Erwachsener im Psychologiestudium“
Strasser, Irene (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Institut für Psychologie)

Wenngleich es vereinzelt Studien gibt, die die Altersbilder Pflegender in den Mittelpunkt stellen, so hat sich gerontologische Forschung bislang nur wenig systematisch damit beschäftigt. Weber et al. (1997) führten eine Studie durch zu Alterstheorien professioneller MitarbeiterInnen in der Altenpflege. Die Ergebnisse sprechen gegen eine einseitig negative Stereotypisierung durch Pflegende, wenngleich Stereotype im Sinne von situations- und anforderungsspezifischem Beurteilungsverhalten existent sind. Darüber hinaus existieren vereinzelt Studien zu Altersbildern von PsychotherapeutInnen und (Zahn)medizinerInnen, die vorliegenden empirischen Befunde sind jedoch insgesamt nur schlecht vergleichbar.

Daraus ergibt sich nicht nur die Frage nach systematischerer Forschung zu Haltungen und Altersbildern in gerontologischen Arbeitsfeldern vertretener Professionen, sondern auch die Frage nach Einstellungen gegenüber dem Alter(n) und alten Menschen am Beginn von Berufskarrieren in diesem Bereichen. Mit dem steigenden Bedarf von Fachkräften im geriatrischen und gerontologischen Bereich steigt auch die Bedeutung des Arbeitsfeldes für AbsolventInnen der Psychologie. In einer empirischen Studie wurde daher der Frage nachgegangen, inwiefern positive oder negative Altersbilder vorliegen, bzw. auch welche Zusammenhänge es dabei mit der Dauer der Ausbildung, Interesse für den gerontologischen Bereich sowie Aspekten wie Reflexionsfähigkeit und Offenheit bestehen. Mittels eines Fragebogens befragt wurden insgesamt 210 erst- und höhersemestrige Psychologiestudierende (davon 167 weibliche Studierende; 131 StudienanfängerInnen, 66 Höhersemestrige).

In Übereinstimmung mit der Literatur zeigte sich, dass die TeilnehmerInnen nicht generalisierbar negative Altersstereotype zeigten. Sie waren außerdem in der Lage, unterschiedliche stereotype Vorstellungen zu reproduzieren, denen sie aber nicht ausschließlich zustimmten. Außerdem zeigten sich diesbezüglich einige Unterschiede zwischen Erstsemestrigen und Höhersemestrigen, so etwa in der Zentralität des Alters und der Frage, ob das Alter als Gewinn und Entwicklungschance wahrgenommen werden kann, letzterer Aspekt scheint dabei auch vom Ausmaß an gerontologischem Wissen abhängig. Darüber hinaus zeigte sich, dass jene TeilnehmerInnen, die sich nach einem Abschluss eine Tätigkeit in einem gerontologischen Bereich vorstellen können, auch in stärkerem Maße einer Vorstellung von lebenslanger Entwicklung zustimmten.